Fritz Pölking

Mit der Kamera in der Welthauptstadt der Störche

Weißstörche kommen so alle 1-3 Stunden zur Brutablösung zurück zum Nest - manchmal dauert es auch etwas länger. Wenn man unten auf der Straße steht und darauf wartet, dauert es natürlich noch wesentlich länger, zumindest kommt es einem so vor. Wenn dann wirklich einmal ein Vogel angeflogen kommt, dann fliegt er sicher aus der - für die Kamera - falschen Richtung an, oder er kommt zu tief hereingeflogen oder zu überraschend. Wenn dies alles ausnahmsweise einmal nicht eintritt, dann scheint aber zum Ausgleich in dem Moment keine Sonne, oder hinter dem Nest ist eine große, weiße Wolke.

Für Flugaufnahmen von Weißstörchen braucht man aber unbedingt Sonne im Rücken des Fotografen und blauen Himmel hinter dem Storch. Bevor man aber in Deutschland alle diese Bedingungen erfüllt sieht, muss man entweder riesiges Glück haben, oder viele Wochen für vielleicht nur eine vernünftige Flugaufnahme investieren.

Daher entschlossen Uwe Walz und ich uns, diese Fotos knapp zwei Flugstunden weiter südlich zu machen, an der Kathedrale San Miguel im spanischen Alfaro, einer kleinen Stadt im Ebrotal, der 'Welthauptstadt der Störche '.

  

Dort bietet sich dem Naturfotografen ein überwältigendes Bild: über einhundert Storchennester sieht man vor sich auf den Dächern, Zinnen und Türmen dieser Kirche. Und die fotografischen Möglichkeiten sind großartig: Wie es sich für Spanien gehört, hat man fast immer Sonnenschein und blauen Himmel, und -Störche, Störche, Störche. Man muss nicht darauf warten, dass mal alle zwei bis vier Stunden einer zur Ablösung eingesegelt kommt. Bei über zweihundert Altvögeln - die Nichtbrüter nicht mitgezählt - gibt es fast keinen Moment am Tag, wo nicht von vorne, hinten, rechts oder links einer oder mehrere Störche gleichzeitig zum Landeanflug ansetzen.

Dazu kommt noch der 'Dusel', den man auch braucht: Die Kathedrale ist an einem Berg gebaut, und direkt neben ihr steht ein großes Wohnhaus mit einer riesigen Freitreppe, die - durch den Berg bedingt - nicht am Fuße der Kathedrale ist, sondern in halber Höhe, wodurch man nicht so steil nach oben fotografieren muss, sondern schon fast in Dachhöhe der Kirche seine Flugaufnahmen machen kann, was für Abbildungsgröße und Perspektive natürlich ein eindeutiger Gewinn ist.

Dazu kommen noch die großartigen Möglichkeiten durch die Nachführ-Autofokustechnik, die ja eigentlich eine 'Schärfevorlegen Technik' ist. Bei dieser Technik, die bei allen Kamerasystemen im Prinzip die gleiche ist, aber überall einen anderen Namen hat, wird ja bei Bewegungen der Weg des Objektes vorausberechnet, den dieses bis zur eigentlichen Aufnahme noch zurücklegt, und garantiert dadurch eine vorher nicht für möglich gehaltene Treffsicherheit in Bezug auf wirklich scharfe Aufnahmen von sich bewegenden Tieren.

Wie gut diese AF-Technik bei hakenschlagenden Hasen arbeitet, weiß ich nicht, aber bei anfliegenden Störchen arbeitet sie ganz großartig. Es ist schlicht gesagt traumhaft und unglaublich: Egal ob mit einer Canon-, Nikon-, Minolta- oder Pentax-SLR, man stellt auf Nachführautofokus ein, und wenn dann in der Ferne ein winziger Punkt hoch am Himmel auftaucht, dann nimmt man ihn in das AF-Feld - wenn er etwas größer wird - und kann dann staunend mitverfolgen, dass er immer gestochen scharf bleibt. Der Storch kommt näher und näher, er wird im Sucher größer und größer - aber immer und alle Zeit bleibt er 'rasiermesserscharf' .

Welch eine großartige Möglichkeit für wirklich scharfe Flugaufnahmen hat uns da die moderne Kameratechnik geschenkt.

 

Wir beide standen oft stundenlang auf dieser großen Freitreppe und haben nur Flugaufnahmen gemacht - hunderte. Manchmal kamen viele Störche gleichzeitig, und wir wußten überhaupt nicht, auf welchen wir die Objektive richten sollten.

Ein kleines Problem bei diesen Flugaufnahmen war die richtige Belichtung: Ein weißer Storch vor blauem Himmel ist sicher heller als der mittlere Grauwert und bedarf einer Belichtungskorrektur. Nach einigen Versuchen stellte sich als optimale Technik die Zeitautomatik heraus, mit einer Überbelichtung von 0.3 bis 0. 7 Blendenstufen, also 1/3 bis 2/3 Blende. Mit dieser Korrektur wurden die Flugaufnahmen optimal in der Belichtung. Zeitautomatik nahmen wir deshalb, weil sie als einzige Automatik-Meßmethode bei offener Blende immer die absolut kürzest mögliche Verschlußgeschwindigkeit garantiert. Wenn wir etwa bei 500 mm und 600 mm Brennweite mit der offenen Blende 4.0 arbeiteten, dann holten sich die Kameras dazu bei Zeitautomatik selber die kürzeste Verschlußzeit. Dies ist mit Blenden- oder Programmautomatik nicht so einfach möglich. Und die manuelle Einstellung von Zeit und Blende war auch problematisch - obwohl wir diese Methode an sich bevorzugen - weil je nach Anflugwinkel die Belichtung dann korrigiert werden müsste, was aus Zeitgründen - und wegen der wünschenswerten Konzentration auf das Motiv und nicht auf die Technik - in diesem Falle auch nicht ideal war.

  

  



Was bei unseren Denkmalsschützern in Deutschland einen Herzinfarkt verursachen würde, lässt die Spanier -s ehr zum Vorteil der Naturfotografen - anscheinend völlig kalt: Dort darf man sechs bis acht Meter neben der Kathedrale San Miguel - immerhin ein spanisches Nationalmonument - ein Wohnhaus hochziehen, dessen oberste Wohnungen so hoch in den Himmel ragen, dass man von dort aus von o b e n in die Storchennester hineinfotografieren kann. Es ist unglaublich: zehn Meter vor einem und 2-4 Meter tiefer - optimal - findet das ungestörte Familienleben bei den Weißstörchen statt, und mit allen vorhandenen Objektiven, ob 80-200 mm, 300 mm, 500 mm oder 600 mm, kann man hier im naturfotografischen Schlaraffenland arbeiten und gestalten.

Rund um die Kathedrale befinden sich natürlich noch etliche weitere exquisite Standpunkte, die jedem Tierfotografen das Herz im Leibe höher schlagen lassen. Es gibt praktisch Motive vom ersten Sonnenstrahl am Morgen bis hin zum Einbruch der Dunkelheit. Vom großen Platz direkt vor der Kathedrale aus kann man sehr schöne Fotos machen, und auch die Straße 'Galle de Hospital' bietet - vor allem am Spätnachmittag und bei Sonnenuntergang - einen grandiosen Blick auf die Kolonie. Vor allem auch deshalb, weil zu dieser Zeit viele Vögel von der Nahrungssuche zum Horst zurückkehren.

Dann gibt es kurz hinter der Kathedrale einen Berg mit einer Aussichtsplattform, von wo aus man einen sehr schönen Blick über die ganze Kolonie hat, und von dort aus kann man auch sehr interessante Bilder von der ganzen Stadt machen.

Deshalb ist Alfaro für Naturfotografen sicher einen Kurzurlaub (oder ein verlängertes Wochenende) wert. Wer zwischen März und Juli etwa am Freitag hinfliegt und am Montag/Dienstag zurück, der hat in den zwei oder drei naturfotografischen Arbeitstagen dazwischen die Gelegenheit, sicher mehr und bessere Storchenbilder zu bekommen, als er bei uns in Deutschland in einem ganzen Jahr schaffen würde.

Was man braucht ist eine AF-Kamera, und an Objektiven alles von 24 mm - bis 500 mm oder 600 mm und ein gutes Stativ. Mit 10 Filmen pro Tag sollte man als Minimum rechnen. Alleine für die Flugaufnahmen gehen unglaubliche Mengen an KB-Filmen durch die Kameras. Nicht weil es unbedingt sein muss, sondern weil es so viel Spaß macht. Wir wollten ja nicht nur tolle Ergebnisse, sondern auch fotografieren an sich; und da bieten sich hier wundervolle Möglichkeiten, die Kameras so richtig heiß laufen zu lassen.

Wenn man so tagelang Störche fotografiert und beobachtet, dann entdeckt oder sieht man natürlich auch viele interessante Verhaltensweisen bei diesen Vögeln: Wie die Altvögel den Jungen Wasser im Kropf mitbringen oder das die Alfaro-Störche sehr oft Fische verfüttern. Wir haben oft beobachtet, dass die Weißstörche im Ebrofluß standen um Fische zu fangen. Und bei der Beuteübergabe an die Jungen im Nest konnte man sehen, dass dies zum Teil ganz schön große Exemplare waren.

Auch entdeckten wir, dass es hier eine Chance gab, so kurz vor Sonnenuntergang Aufnahmen von Störchen im Gegenlicht zu machen. Dazu ist ein dunkler Hintergrund hilfreich, um die Wirkung der Aufnahmen zu steigern, und den hat man bei uns in Deutschland bei Störchen im Nest in der Regel ja kaum oder fast nie.

Hier gibt es nun an der Südseite der Kirche Horste, wo abends im Gegenlicht diese Situation vorkommt, und die wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Aber es war nicht ganz so einfach: Je besser das Licht wurde, also je tiefer die Sonne stand, je direkter schien sie ins Objektiv, und zum Schluss, wenn das Licht wirklich optimal war, nützten auch die doppelten Sonnenblenden der 600er Objektive nichts mehr. Dann mußte immer einer auf Fotos verzichten, und dem anderen mit einem Karton das Objektiv vorne so abschatten, dass so eben kein Sonnenlicht von vorne in die Linse strahlte. Es war frappierend und unglaublich, welcher Unterschied zwischen großartiger Brillanz und völligem Überstrahlen sich ergab, je nach dem, ob man nur mit den beiden Sonnenblenden arbeitete, oder die Bilder aufnahm mit zusätzlichem Abschatten der Sonne durch eine Pappe vor dem Objektiv, mit der man die Sonne daran hinderte, direkt in die Linse zu scheinen.

Alle Aufnahmen mit der Nikon F5 auf Sensia-100
und mit den Objektiven 2.8/80-200 mm und 4.0/500 mm.
Teilsweise mit Konverter 1.4 x und alle vom Stativ
aus fotografiert.

Das wir in der besten aller Welten leben, ist - zumindest bis ein UFO landet - nicht zu widerlegen. Für Naturfotografen ist Alfaro mit seiner Storchenkolonie ein großartiges Stück daraus. Der Weg in dieses Storchenparadies ist recht einfach: Direktflug Frankfurt-Zaragoza mit Aviaco, dann Mietwagen Zaragoza-Alfaro, und dort in das einzige Hotel am Platze, das Palacio (0034-41-183944), und anschließend nach Herzenslust fotografieren. Wer mehr über die 'Welthaupstadt der Störche' wissen möchte, dem sei das Buch 'Störche -Leben auf der Kathedrale' (Tecklenborg Verlag) empfohlen. Darin haben wir die Kolonie detailliert und in vielen Farbfotos vorgestellt.

* * * * *